Das „Inzest-Monster“, eine Inkarnation des Bösen?

„Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gut machen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen“ sagte Josef Fritzl im Gerichtssaal am Tag seiner Urteilsverkündung.

Fritzl gilt als selbstmordgefährdet und ich bin mir sicher, dass er das tatsächlich tun wird. Die Selbstsicherheit mit der er bei der Urteilsverkündung auftrat, finde ich verdächtig. Zumal er sein Gesicht die Tage zuvor hinter einem Aktenordner versteckte. Was macht ihn also auf ein mal so selbsbewusst?

Fritzl hat es geschafft 24 Jahre lang seine Tochter im Keller des Hauses gefangen zu halten. Angeblich ohne eine leiseste Ahnung seiner Ehefrau. Er hat es geschafft in diesem Keller 4 Menschen logistisch zu versorgen. Er wird es auch schaffen, sich selbst zu richten, wenn er dies will. Da bin ich mir sicher.

Fritzl weg und schnell vergessen!? Wäre das eine Erleichterung für die Gesellschaft? So wird es sicher kommen. Leider, aber Fritzl ist auch ein Produkt der Gesellschaft. Warum hat man seine „schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung und eine Störung der Sexualpräferenz“ nicht schon bemerkt, als er 1967 wegen einer Vergewaltigung verurteilt wurde? Hat sie sich etwa erst später entwickelt? Dann wäre es ein weiteres eindeutiges Zeichen für die sozial determinierte Entwicklung zu einem Mehrfachverbrecher, an der wohl auch die lieblose Erziehung durch seine Mutter schuld sein soll.

Josef Fritzl ist genauso wenig eine Inkarnation des Bösen wie es Tim Kretschmer, der Amokläufer von Winnenden, war. Beide sind Täter und Opfer zugleich. Täter von unglaublichen Verbrechen und Opfer von Kulturen, die sich am Leid anderer ergötzen und sich mehr und mehr aus der kollektiven Verantwortung für das Individuum stehlen wollen.

„Dies ist die Tat eines Einzeltäters, nicht das Verbrechen eines ganzen Ortes, oder einer ganzen Nation.“ relativiert die Vorsitzende Richterin Andrea Humer zum Auftakt des Prozesses. Und sie hat recht. Es ist das Verbrechen einer einzelnen Person. Aber die Verantwortung dafür hat nicht die einzelne Person allein. Ich spreche nicht von Kollektivschuld oder Sippenhaft. Aber in beiden Fällen sind Diskurse und Forschungen gefragt, welche verhindern helfen können, dass sich Menschen zu solchen Verbrechern entwickeln.
Die Begründung solcher Taten als unberechenbare Auswüchse seelischer Abgründe greift zu kurz.

Quellen:

[1] zeit.de – Schnelles Ende eines kurzen Prozesses
[2] spiegel.de – Josef Fritzl leidet an schwerer Persönlichkeitsstörung
[3] welt.de – Gerichtsakten: Josef Fritzl ist ein verurteilter Vergewaltiger
[4] welt.de – Fritzl spricht von „Reue aus ganzem Herzen“

Ein Gedanke zu „Das „Inzest-Monster“, eine Inkarnation des Bösen?“

  1. Wie ich gerade auf fr-online lese, kommt Christian Schlüter im wesentlichen zu der gleichen Schlussfolgerung wie ich:
    „Allein schon die allerorten zu hörende wie zu lesende Beschwörung des Monströsen sollte vor allem eines – den lange Zeit als unbescholtener Kleinbürger in unserer Mitte lebenden Josef Fritzl aus eben dieser Mitte verbannen. Offenbar aber ermöglicht die kulturelle Ordnung, die man damit zu verteidigen vorgibt, eben auch eine solch haltlose, zumal bigotte Existenz wie die seine. […] An Fritzl ist nichts monströs, außer dass er einer von uns ist – er ist von allem nur ein wenig mehr als der Durchschnitt.“

    http://www.fr-online.de/top_news/1693388_Leitartikel-Kein-weiteres-Interesse.html

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