Ost-West-Studententransferzahlen

Ein Leserbrief: 

Mit Interesse las ich den Artikel „Das verschmähte Paradies“ (Seite 21) von Christian Fuchs über west- und ostdeutsche Studierende und die Wahl ihres Studienortes in der Ausgabe September/Oktober 2008 von „Zeit Campus“.

Leider fiel mir in dem besagten Artikel ein eklatanter Fehler auf, weshalb ich es für nötig halte, sie darauf aufmerksam zu machen. Und zwar wird dort, mit Bezug auf eine Studie der HIS Hochschul-Informations-System GmbH, erwähnt, dass den 22% der ostdeutschen Studenten, die in einem westdeutschen Bundesland studieren, nur 4% westdeutscher Studenten, welche in einem ostdeutschen Bundesland studieren, gegenüberstehen. Diese Zahlen wurden in dem Artikel als Anzeichen gewertet, dass westdeutsche Universitäten beliebter seien als ostdeutsche.

Ich bin jedoch der Meinung, dass man diese Zahlen nicht auf diese Art interpretieren darf. Schließlich erscheint es sehr logisch, dass ein Gebiet, welches über 4 mal so viele Einwohner verfügt und damit vermutlich auch 4 mal so viele Studienplätze anbietet, auch ein entsprechend höheres Anziehungsvermögen hat. Wenn man sich vorstellt, es gäbe nur 1 Universität in Ostdeutschland und in Westdeutschland nur 4, dann wird deutlich, dass die Diskrepanz zwischen 22% und 4% keineswegs so groß ist, wie behauptet: Ein Student hätte dann die Wahl zwischen 5 Universitäten. Wenn er alle gleich bewerten würde, so liegt die Chance bei 1/5, dass er die ostdeutsche Universität wählt. Für die westdeutschen Universitäten läge die kumulierte Wahrscheinlichkeit dann bei 4/5. In Westdeutschland zu studieren ist also 4 mal so wahrscheinlich, was sich lediglich aus der Tatsache des größeren Gebiets und der größeren Kapazität ergibt.

Die in der Studie vorgenommene, getrennte Betrachtung der beiden Gebiete und das Resumee sind irreführend und wurden im Artikel deshalb wohl entsprechend aufgegriffen. Stattdessen sollte man für den beschriebenen Effekt aber die absoluten Zahlen zur Begründung heranziehen. Wenn man davon ausgeht, dass alle Hochschulen gleich attraktiv sind und sich die Abwanderung gleicht verteilt, so müssten ebenso viele Ostdeutsche gen Westen gehen, wie Westdeutsche gen Osten gehen. Wie in der Studie deutlich wird, stehen den 13.700 ostdeutschen „Abwanderern“ jedoch nur 7.800 westdeutsche „Abwanderer“ gegenüber. Es zieht also fast doppelt so viele ostdeutsche Studenten gen Westen, wie es westdeutsche gen Osten zieht. Diesen Vergleich kann man nun zur Begründung einer wahrgenommenen höheren Attraktivität eines Studiums im Westen heranziehen. Die zitierten Prozentangaben sind dafür nicht valide, da sie die unterschiedliche Größe der beiden Gebiete verschleiern.