Privatdemokratie

„Die öffentliche Daseinsvorsorge muss in politischer Verantwortung bleiben, weil sonst auch Demokratie und Wahlen keinen Sinn machen, wenn diesbezüglich nichts mehr zu entscheiden ist.“ (Gregor Gysi)

12 Gedanken zu „Privatdemokratie“

  1. Ach schön! Dann kann ich demnächst meinen Brötchenlieferanten demokratisch wählen, oder?
    Obwohl: Was, wenn ich mit meinem Brötchengeschmack in der Minderheit bin? Muss ich dann fressen, was die Mehrheit bestimmt hat?
    Und erinnert mich das (wie auch der Zitierte) nicht irgendwie an alte Zeiten?

    Kurzum: Wenn man „öffentliche Daseinsvorsorge“ nicht eng als Hilfe im Notfall definiert, ist das, was Gysi sagt, dummes, sozialistisches Zeug. Meiner Meinung nach.

  2. Wäre die Aussage weniger dummes, sozialistisches Zeug, wenn es z.B. Gerhard Schröder gesagt hätte?
    Vorsicht vorsicht, man sollte eine Aussage vor allem nach dem Inhalt bewerten und nicht nach dem, wer es gesagt hat. Hitler hat sicher auch x-mal „Ich liebe dich.“ oder „Ich habe hunger.“ gesagt,…
    Ich habe das Gefühl (nicht unbedingt bei dir, Boche, sondern prinzipiell), dass manchmal der Kommunikator wichtiger ist als die Aussage. Das mag manchmal auch nützlich sein, wenn man z.B. implizite Aussagen und versteckte Absichten erkennen möchte, geht aber leider oft am Kern vorbei.

    Aber zum Thema: wenn man sich die Aussage auf der Zunge zergehen lässt, dann müsste einem die Parallelität zwischen zunehmender Privatisierung ehemaliger staatlicher Monopole und abnehmener Wahlbeteiligung doch schon sauer aufstoßen lassen, oder? Ich sag ja nicht, dass diese Parallelität auschließlich von einander bedingt ist, interessant ist sie aber allemal.

    Zudem sagte er: „Die öffentliche Daseinsvorsorge muss in politischer Verantwortung bleiben“. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass ich mal über deinen Brötchenlieferanten (überhaupt wie dekadent sich die Brötchen liefern zu lassen 😉 abstimmen durfte.

    Wenn ich „öffentliche Daseinsforsorge“ nur als Hilfe im Notfall defniere, was ist dann mit Bildung, Verkehrswege und Militär? Grausige Vorstellung, wenn du mich fragst.

  3. „Wäre die Aussage weniger dummes, sozialistisches Zeug, wenn es z.B. Gerhard Schröder gesagt hätte?“

    Keineswegs. Ich urteile bei meiner Allergie auf sozialistische Phrasen nicht nach Parteizugehörigkeit, wie bei den Bissigen Liberalen gut nachzulesen ist. Da bekommt zur Not ein CDU- oder CSU-Abgeordneter das gleiche vor den Latz genknallt.

    „wenn man sich die Aussage auf der Zunge zergehen lässt, dann müsste einem die Parallelität zwischen zunehmender Privatisierung ehemaliger staatlicher Monopole und abnehmener Wahlbeteiligung doch schon sauer aufstoßen lassen, oder?“

    So lange kein kausaler Zusammenhang besteht, ist es nicht die Parallelität, die mich aufstoßen lässt. Und dass ich meinen Stromanbieter und meinen Telefon- und Internet-Provider frei wählen kann, hat mir noch keine Wahlmüdigkeit beschert. Warum auch.

    „Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass ich mal über deinen Brötchenlieferanten … abstimmen durfte.“

    Na, zum Glück wurde das Brötchen ja auch noch nicht als Bestandteil der „öffentlichen Daseinsvorsorge“ definiert. Aber Sozialisten pflegen nicht Halt zu machen, wenn sie privates Wirtschaften zu verstaatlichen beginnen.

    „Wenn ich „öffentliche Daseinsforsorge“ nur als Hilfe im Notfall defniere, was ist dann mit Bildung, Verkehrswege und Militär?“

    Schulbildung, Justiz, Militär – das sind alles Bereiche, die kein Liberaler privatisieren will. Zum Grausen gibt es also bis dahin keinen Grund.
    Warum ich aber z.B. Versicherungen (zu Krankheit, Arbeitslosigkeit, Rente) aufgezwungen bekomme, die teuer sind und immer weniger leisten, die nicht wirtschaften können, Bürokratie erzeugen und alle Beteiligten (bis auf die Bürokraten) ärmer machen – das muss mir Herr Gysi (und Frau Nahles, Herr Seehofer, Müntefering, …) noch erklären. Denn all das könnten private Anbieter weitaus besser. Und danach sollte man streben: Was der private Anbieter besser kann, sollte er machen. Der Staat sollte nur für Grundsicherung und Rahmen sorgen. Denn einen schlechten privaten Anbieter kann ich wechseln, der Markt sorgt dafür, dass der Beste sich durchsetzt. Staatsbürokraten in ihrer Verschwendungssucht kann ich nicht wechseln. Die bleiben wie die Zecken hängen und saugen weiter.

  4. „So lange kein kausaler Zusammenhang besteht, ist es nicht die Parallelität, die mich aufstoßen lässt.“

    Den kausalen Zusammenhang kennst du möglicherweise nur nicht. Freilich muss es dir deshalb auch nicht aufstoßen. Mir stößt es schon auf, nicht zuletzt weil ein Forscher immer Interesse an neuen Gedankengängen haben muss. Und dann denke ich eher an Post und Deutsche Bahn als an Telekom usw.

    „Warum ich aber z.B. Versicherungen (zu Krankheit, Arbeitslosigkeit, Rente) aufgezwungen bekomme, […] – das muss mir Herr Gysi (und Frau Nahles, Herr Seehofer, Müntefering, …) noch erklären.“

    Haben sie sicher schon mehrfach erklärt. Das such ich jetzt aber auch nicht raus, weil ich darüber auch nicht diskutieren möchte, da ich mich dazu nicht beschäftigt habe.

    „der Markt sorgt dafür, dass der Beste sich durchsetzt“

    Genau das ist der Irrglaube der Radikalliberalen. Aber vielleicht ist es nicht mal Irrglaube. Die Maßstäbe bei der Definition von so einem schwammigem Begriff wie „der Beste“ sind einfach völlig anders.
    Und selbst, wenn es so sein sollte, dass sich „der Beste“ durchsetzt, gibt es vorher erst mal unzählige Opfer, die „den nicht so Guten“ auf den Leim gegangen sind…

  5. „weil ein Forscher immer Interesse an neuen Gedankengängen haben muss“

    Sie sollten aber ein Mindestmaß an Plausibilität aufweisen. Finde ich.
    Sonst könnte man auch den Zusammenhang zwischen Vogelgrippe und Hamas-Wahlerfolg „interessant“ finden.

    „Und dann denke ich eher an Post und Deutsche Bahn als an Telekom usw.“

    Weil diese beiden das Monopol (zumindest weitgehend) behalten haben?

    „Haben sie sicher schon mehrfach erklärt.“

    Nein. Sie schwafeln nur von Solidarität, und meinen Zwang.

    „Die Maßstäbe bei der Definition von so einem schwammigem Begriff wie „der Beste“ sind einfach völlig anders.“

    Richtig. Sie sind eventuell sogar genauso vielfältig, wie die Menschen vielfältig sind, die einen Anbieter wählen.

    „Und selbst, wenn es so sein sollte, dass sich „der Beste“ durchsetzt, gibt es vorher erst mal unzählige Opfer, die „den nicht so Guten“ auf den Leim gegangen sind… “

    Du meinst, wenn ich einem Bäcker Brötchen abkaufe, die nicht so lecker sind, wie die seines Konkurrenten, bin ich ein „Opfer“?
    Ist das begrifflich nicht ein wenig zu hoch gegriffen?
    Und was wäre denn die Alternative zum Risiko, mit einem schlechten Brötchen übers Ohr gehauen zu werden? Eine staatliche Beamtenschar, die für mich entscheidet, was gut ist?

  6. „Sie sollten aber ein Mindestmaß an Plausibilität aufweisen.“

    Tun sie, keine Sorge. Und wenn nicht, dann wird dem Gedankengang auch nicht empirisch nachgegangen.

    „Weil diese beiden das Monopol (zumindest weitgehend) behalten haben?“

    Ja genau.

    „Du meinst, wenn ich einem Bäcker Brötchen abkaufe, die nicht so lecker sind, wie die seines Konkurrenten, bin ich ein „Opfer“?“

    Nein, aber wenn du z.B. eine Waschmaschine kaufst, die 1 Monat nach Gewährleistungsende den Geist aufgibt. Und damit habe ich aber nie gesagt, dass ich nen staatliches Monopol auf Waschmaschinen haben will, falls du mir jetzt gleich damit kommst.
    Das Beste setzt sich aber eben nicht durch, sondern kann sich unter Umständen nur behaupten (s. Miele Waschmaschinen). Das Stärkste setzt sich durch.

    „Ist das begrifflich nicht ein wenig zu hoch gegriffen?“

    Nö, nicht höher als deine Brötchen tief.

    „Und was wäre denn die Alternative zum Risiko, mit einem schlechten Brötchen übers Ohr gehauen zu werden? Eine staatliche Beamtenschar, die für mich entscheidet, was gut ist?“

    Wie kommst du darauf? Hat das mal jemand behauptet?

  7. „“Weil diese beiden das Monopol (zumindest weitgehend) behalten haben?“

    Ja genau.“

    Du begrüßt es also, wenn deren Monopol gebrochen wird?

    „Nein, aber wenn du z.B. eine Waschmaschine kaufst, die 1 Monat nach Gewährleistungsende den Geist aufgibt.“

    Selbst dann sähe ich mich nicht als Opfer. Denn 1 Monat nach Gewährleistungsfrist havarierende Waschmaschinen sprechen sich rum. Und treffen den Pfuscher letztlich doch.

    „Und damit habe ich aber nie gesagt, dass ich nen staatliches Monopol auf Waschmaschinen haben will…“

    Sondern?

    „Das Beste setzt sich aber eben nicht durch, sondern kann sich unter Umständen nur behaupten (s. Miele Waschmaschinen). Das Stärkste setzt sich durch.“

    Was bedeutet „stark“ in diesem Zusammenhang?

    „Wie kommst du darauf? Hat das mal jemand behauptet?“

    Nein. Aber du vermeidest ja die Benennung der Alternative zu dem, was du als „Irrglauben der Radikalliberalen“ bezeichnetest. Oder siehst du gar keine Alternative und wolltest du nur das Alternativlose als furchtbar beweinen?

  8. Ja sicher müssen (private) Monopole weg.

    Auch wenn der Täter für sein Pfusch letztendlich bestraft wird (wie auch immer), ändert das an der Opferrolle des einzelnen nichts.

    Stark ist eben der, der sich durchsetzen kann und nicht wie im Irrglauben der Radikalliberalen der Beste. Und die Alternative zu diesem Irrglauben ist, nicht mehr daran zu glauben, dass sich das Beste durchsetzen würde. Das müsste dem aufmerksamen Leser eigentlich klar geworden sein. Und nur weil ich nen Satz von Gysi zitiere (der im Kontext übrigens auf den Verkauf der städtischen Immobilien in Dresden war) heißt das nicht, dass ich dir deine Brötchen wegnehmen will oder ne politische Grundsatzdiskussion führen will, bei der ich erst mal deine Sozialistenparanoia verstehen müsste.

  9. „Ja sicher müssen (private) Monopole weg.“

    Nur private? Oder auch staatliche?

    „Auch wenn der Täter für sein Pfusch letztendlich bestraft wird (wie auch immer), ändert das an der Opferrolle des einzelnen nichts.“

    Wenn man Opfer so inflationär definieren möchte, kann man das so sehen.

    „Stark ist eben der, der sich durchsetzen kann und nicht wie im Irrglauben der Radikalliberalen der Beste.“

    Das ist kein Argument sondern eine Behauptung. Und selbst dieser fehlt noch die Definition des Adjektivs „stark“.

    „nd nur weil ich nen Satz von Gysi zitiere (der im Kontext übrigens auf den Verkauf der städtischen Immobilien in Dresden war) heißt das nicht, dass ich dir deine Brötchen wegnehmen will oder ne politische Grundsatzdiskussion führen will, bei der ich erst mal deine Sozialistenparanoia verstehen müsste.“

    Ok. Dann sperre doch die Kommentarfunktion. Dann wüsste ich, wo Diskussion und Nachfragen nicht erwünscht ist.

  10. Manchmal müssen vielleicht auch staatliche Monopole weg, hab ich nie bestritten.

    Stark ist, wer sich durchsetzen kann. Das ist eine Definition.

    Sorry, du kannst gerne kommentieren, ich möchte nur nicht das es zu weit ausartet, denn ich fühle mich verpflichtet mitzudiskutieren, habe aber im Moment wenig Zeit ellenlange Internetdiskussionen zu führen.

  11. „Stark ist, wer sich durchsetzen kann. Das ist eine Definition.“

    Das ist aber eine schwache Definition, da sie keinen Gegensatz zur Aussage begründet, dass der Beste sich durchsetzt.

    „…habe aber im Moment wenig Zeit ellenlange Internetdiskussionen zu führen.“

    Das akzeptiere ich natürlich. Wir können gern weitermachen, wenn du mehr Zeit hast.

  12. Hi Boche,

    theoretisch hätte ich jetzt wieder etwas Zeit die Diskussion fortzusetzen.
    Ehrlich gesagt, habe ich aber keine richtige Lust dazu. Wenn dich die Diskussion jedoch noch juckt, dann möchte ich mich aber auch nicht drücken…

    Besten Gruß
    Meckerossi

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