„Free Tibet“ und Olympia-Boykott

Prof. Thomas Heberer, Inhaber des Lehrstuhls Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Politik Ostasiens an der Universität Duisberg-Essen, schreibt in der heutigen Ausgabe der taz:

„[…] die Geschichte des europäischen Chinabildes [ist] eine Geschichte sich ständig wandelnder, zwischen Verteufelung und Idealisierung oszillierender Vorurteile über dieses Land […]
Nach der Idealisierung in den 90er-Jahren befinden wir uns jetzt wieder in einer Phase der Verteufelung. […]
Im Westen werden die wirklichen Ursachen und Hintergründe der Abläufe in Tibet nicht verstanden. […]
Kein Staat der Erde hat jemals die Eigenständigkeits Tibets anerkannt oder erklärt Tibet sei ein ‚besetztes Land‘. Für alle Staaten der Erde ist Tibet chinesisches Territorium. Die Tibetfrage wird vielmehr als Menschenrechtsfrage begriffen. […]
Was übersehen wird, sind die historischen, religiösen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Ursachen der Proteste. Allerdings sind das keine spezifischen Probleme der Tibeter, sondern aller ethnischen Minderheiten Chinas […]
Wer glaubt, durch massive Proteste und Druck in China etwas verändern zu können, verkennt die reale Lage. In Fragen der nationalen Einheit und der politischen Stabilität beugt sich China keinen äußeren Druck. […] Weder ändern Proteste etwas am Status quo noch bringen sie Vorteile für Tibet und die Tibeter. Und um es noch einmal zu betonen. Veränderungen in Tibet sind nur über und mit Peking möglich und erfordern Geduld. […]
Ein Boykott der olympischen Spiele ist nicht sinnvoll. Zum einen ist durch die Proteste in Tibet keine neue Situation entstanden. Die jetzt kritisierten Probleme existierten auch schon vor der Vergabe der Spiele an Peking. Zudem hätte ein Boykott in erster Linie negative Auswirkungen auf die Entwicklung Chinas: […] Der Eindruck, der Westen wolle Chinas Aufstieg verhindern, würde sich verstärken. […]“

Gut, dass das mal jemand gesagt hat!
Auch der Dalai Lama ist schließlich für die olympischen Spiele in China. (s. SPON)

Bayernjahr bei „Anne Will“

Das Jahr 2008 scheint das Jahr der schleichenden „Bayerisierung“ in der Politik-Talksendung „Anne Will“ zu sein. In den 10 diesjährigen Sendungen (die heutige eingeschlossen) waren 7 Gäste geladen, die explizit als Vertreter Bayerns auftraten.

Das Jahr 2008 scheint das Jahr der schleichenden „Bayerisierung“ in der Politik-Talksendung „Anne Will“ zu sein. In den 10 diesjährigen Sendungen (die heutige eingeschlossen) waren 7 Gäste geladen, die explizit als Vertreter Bayerns auftraten. „Bayernjahr bei „Anne Will““ weiterlesen

Der 51. Bundesstaat

Triumph für Hillary Clinton
Überraschung in New Hampshire: Clinton setzt sich gegen Obama durch
Hillarys Ehrgeiz schlägt den Sozialarbeiter Obama
Clinton besiegt Obama
Comeback, Comeback, Comeback
Das Comeback der Totgesagten
Sieg für Clinton und McCain
Clinton und McCain gewinnen in New Hampshire

Fast alle Online-Zeitungen haben solche Schlagzeilen ganz oben auf ihrer Homepage. Lediglich die SZ, FR, ND und jW erwähnen von dem Sieg der Clinton nichts, oder weniger reißerisch.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir uns in Deutschland mitten im Vorwahlkampf der US-Präsidentschaftswahl befinden.
Die FAZ liefert dazu die wichtigsten Hintergrundinformationen zur US-Wahl, welche ein paar Erklärungen liefern können, warum das Prozedere in den deutschen Medien derartige Beachtung findet. Aber für mich ist das Maß trotzdem übertroffen. Ich komme mir vor, als wenn ich im 51. Bundesstaat der USA leben würde…

Und es wird sicher so weitergehen, demnächst in ihren Zeitungen:
„Die Rückkehr des Obama“
„Obama ist wieder da!“
„Obama schlägt zurück“ usw.

HILFE!

Medien, Meinung und Manipulation (Vol. 2)

Entgegen meiner Erwartung kam auf den offenen Brief von Bluejax an die Redaktion des heute-journals vom ZDF tatsächlich eine Reaktion (sicherlich auch der Hartnäckigkeit Bluejax’ zu verdanken). Darin äußert der Venezuela-Korrespondet Carsten Thurau seine Sicht der Dinge insbesondere im Bezug auf den offenen Brief. Nun ja, jedenfalls streift er die Kritik von Bluejax. Im Grunde versucht er seinen Beitrag zu rechtfertigen, der aber nicht den Kern der Kritik ausmachte. Vielleicht hätte Bluejax anstelle von
„Gerade von […] ZDF, […] erwarte ich, dass man […] keine einseitige Berichterstattung ausstrahlt, […]!“ besser schreiben sollen, dass er keine Anmoderation erwartet, welche den folgenden Bericht einseitig interpretiert und eine unvoreingenomme Rezeption damit erschwert. Da er einseitige Berichterstattung schrieb, kann man vielleicht schon verstehen, warum sich dessen Autor angegriffen fühlt und gleich noch weitere Beispiele liefert, die seine Sichtweise stützen. Was Herr Thurau dort nennt, sind wahrlich keine schönen Dinge. Und wenn es stimmt, dann muss man natürlich darüber berichten. Aber darum soll es jetzt nicht gehen…
Laut Herrn Thurau wurde er gebeten zu antworten, weil er die Lage vor Ort in Venezuela am besten beurteilen kann. Die heute-journal-Redaktion schiebt also ihren Experten vor, da er am wenigsten angreifbar ist (Wer von den Kritikern hat schon so viel Ahnung von Venezuela wie er?). Das ist taktisch klug. Es lässt aber auch darauf schließen, dass sich die Redaktion keine handwerklichen Vorwürfe gefallen lassen möchte (jdf. nicht öffentlich) – stattdessen ignoriert sie die Vorwürfe auf das Rhetorische (handwerkliche) und verlagert die Argumentation auf inhaltliche Ebene (der Korrespondent soll antworten). Vor allem der Seitenhieb auf Oskar Lafontaine und Linkspartei bleibt dabei unbeachtet. Ja klar, stimmt ja sicherlich, dass die den venezuelanischen Präsidenten Chavez als Vorbild betrachten, aber das liefert in dem Fall wirklich nix zur Sache. Eine dermaßen zusammenhangslose Vereinfachung und Verkettung von verschiedenen Sachverhalten ist ungefähr genauso dämlich wie wenn man bei einer Berichterstattung über die CDU immer wieder erwähnen würde, dass diese mal einen Bundeskanzler gestellt hatten, der ein aktives Mitglied in der NSDAP war.

Hm wobei, da fällt mir auf, dass es andersrum ja immer wieder gern gemacht wird: von wegen alter SED-Kader in der PDS bzw. jetzt Linkspartei usw.
Nun ja, zwischen gut gemeint (objektiv berichten wollen) und gut gemacht (eben nicht ganz so objektiv berichten, wie es möglich wäre) wird es wahrscheinlich immer einen Unterschied geben…

Medien, Meinung und Manipulation

Was in einem Nachrichtenprogramm, dass dazu auch noch öffentlich-rechtlich ist, erzählt wird und was daran falsch ist, wird von einem CoBlogger an einem Beispiel gezeigt: Offener Brief: An die betreffende Redaktion und deutsche Medien – Kritik an Marietta Slomka vom heute-journal
Eigentlich auch ein schöner Beitrag für mein öffentlich-rechtliches Lieblingsmedienmagazin „Zapp“ – schade nur, dass gerade Sommerpause bei denen ist. Aber im September ist Chavez sicher immer noch Präsident von Venezuela und das heute-journal auf dem ZDF wird’s auch noch geben…
Ich beobachte den Sachverhalt jedenfalls gespannt weiter.

Heiligendamm, Gewalt und die Medien

Jaja, sicher gibt es nicht wenige gewaltbereite „Demonstranten“, die gegen den G8-Gipfel aggressive Stimmung machen. Und es gibt auch nicht wenige, die alle Demonstranten und Polizisten über einen Kamm scheren. Und es gibt immer wieder Diskussionen, wer nun eigentlich mit der Provokation angefangen hat. Die Polizeit hat provoziert oder irgendwelche autonomen Gewalttäter. Gegenseitig wird sich der schwarze Peter zugeschoben. Das erinnert mich an frühere Zeiten. Ich habe sie selbst miterlebt. Eigentlich hatte sie fast jeder in Deutschland erlebt. Kindergarten nennt sich das. „Du hast doch angefangen.“ – „Gar nicht wahr! Du hast angefangen!“, hieß es da…

Und ich hatte schon vorher darüber nachgedacht, wer als Vermummter so alles eine Straßenschlacht mit der Polizei anfangen könnte:
Jemand, der sich schlagen will oder auch jemand, der die Demonstranten verunglimpfen will (ein Nazi vielleicht?). Ja vielleicht ist es sogar eine Taktik der Polizei, die mit vermummten Undercover-Beamten die Demonstration gezielt zur Konfrontation mit der Polizei provoziert. Nicht um die Demonstranten zu verunglipmfen, sondern um eine Rechtfertigung zu haben um mit Gewalt einschreiten zu können und zwar an Orten die taktisch günstig für die Polizei sind. Derart würden Ausschreitungen an sensibleren, also für die gewaltbereiten Demonstranten taktisch besseren, Punkten vorweggegriffen. Und letztendlich hat die Medienpanikmache vor Ausschreitungen beim G8-Gipfel sicher so manchen unorganisierten Gelangweilten aus seine Stube gelockt…

Wenn alle gleich aussehen, wie kann ich dann wissen, wer angefangen hat?